70
Marcus Zagermann Marcus
NeueZagermann
Bürger
aus der Colonia
Augusta Treverorum
Zwei bronzene Inschriftenfragmente aus der Mosel in Trier
Mit einem Exkurs:
Bronze als Inschriftenträger im Imperium Romanum
von René Naumann
Die im Jahr 1994 im Bereich der Trierer Mosel durchgeführten Baggerarbeiten erbrachten den Fund zweier Bronzefragmente, die jeweils
mit Inschriften versehen sind.
Fragment A
[ Abb. 1 ]
Das aus Bronzeblech in einer Stärke von 0,21 cm bestehende Fragment ist noch 11,1 cm hoch und 9,9 cm breit. Die Materialstärke und
das Gewicht von 123 g lassen das Objekt sehr massiv erscheinen. Die
Oberfläche ist schlecht erhalten und weist zahlreiche kleine Vertiefungen auf, die fast wie Hammerschläge wirken und die Buchstaben
der Inschrift leicht unscharf verschwommen erscheinen lassen. Es ist
keine Originalkante erhalten. Die unregelmäßig verlaufenden Bruchkanten zeigen sich verrundet. Lediglich links außen, im Bereich des
Buchstabens A, ist der Bruch scharfkantiger. Hier befindet sich auch
ein ca. 2 cm langer Riss, der mit der rechten Haste des Buchstabens
A verläuft. Zudem ist der Bereich hier verbogen. In der zweiten Zeile misst man eine Buchstabenhöhe von 2,9 cm, dann folgen 1,91 cm
Zeilenabstand. Die Rückseite ist ohne Inschrift und entspricht in ihrer
Erhaltung der Vorderseite.
1
Trier, Mosel.
Inschriftenfragment A.
a Vorderseite. b Rückseite. M. 1:2.
RLM Trier, EV 1994,173b.
a
b
71
Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum
Das Formular von Fragment A: Lesung und Auflösung
[---]
[---] +
+ [---]
[---]
[- - - ]ALBV+
[- - - ]ALBV+
[---] MV [---]
[---] MV [---]
Die Buchstabenreste in den Zeilen 1 und 3 können nicht weiter ergänzt werden. Mit dem in Zeile 2 genannten „Albu-“ beginnen einige
Familien- und Beinamen (OPEL I 70 f.). Bemerkenswert ist die Buchstabenhöhe von fast 3 cm.
Fragment B
[ Abb. 2 ]
Das Fragment besteht aus Bronzeblech in einer Stärke von 0,16 cm
und ist noch 9,2 cm hoch sowie 6,9 cm breit. Das Gewicht liegt bei
57,3 g. Die Bruchkanten sind nicht verrundet und verlaufen oben und
an den Seiten geradlinig, im unteren Bereich leicht einziehend. Der
untere erhaltene Rand erscheint ausgefranst und weist keine gerade Bruchkante auf. Das Fragment ist leicht deformiert. Vom letzten
Buchstaben der dritten Zeile reicht ein Riss bis zum R der zweiten
Zeile, der sich in den Buchstaben hinein fortsetzt. Die Oberfläche ist
gut geglättet und hat eine rauere Patina. Die erkennbaren Buchstaben
sind in hervorragender Qualität ausgeführt und erscheinen scharf und
gut lesbar. Die messbare Buchstabenhöhe beträgt in der zweiten Zeile
1,63 cm, in der dritten 1,6 cm. Nach der ersten Zeile folgt ein Abstand
von 1,5 cm zur zweiten, die wiederum 1,44 cm von der dritten abgesetzt ist. Die Buchstaben in den vier erhaltenen Zeilen der Inschrift B
sind eindeutig als Teile dreier Personennamen zu identifizieren, lediglich die letzte Zeile muss aufgrund der starken Fragmentierung ohne
Deutung bleiben. Auf der Rückseite fällt eine Besonderheit auf: Parallel zur Zeilenführung auf der Vorderseite wurde hier ein Querstrich
eingebracht. Dieser ist vergleichbar ausgeführt wie die Buchstaben
vorne und endet in Serifen.
a
Das Formular von Fragment B: Lesung und Auflösung
Q CORNEL
Q
CORNEL
---QVARTIO--- - - QVARTIO- - ---TRECT--- - - TRECT-- +
+
Q(uintus) Cornel(ius) [cognomen?], [praenomen?] [cognomen?]
Quartio, (A?)trect(us?), [weiterer Name?]
Die erste Zeile enthält nur das unterste Viertel bis maximal die untere Hälfte von sieben Buchstaben. Durch die weit nach rechts gezogene Cauda gibt sich als Erstes ein Q zu erkennen. Dem folgt die sicher
zu erschließende Folge CORNEL, wobei das N und E ligiert ausgeführt
sind. Vom L hat sich zwar nur der Rest einer senkrechten Haste erhalten, doch ergibt sich die Ansprache aus dem Zusammenhang. Dadurch
sind der Vorname Quintus (Salomies 1987, 46 Nr. 24) und der Familienname Cornelius aufzulösen, ein Beiname ist nicht erhalten, wohl aber
anzunehmen.
b
2
Trier, Mosel.
Inschriftenfragment B.
a Vorderseite. b Rückseite.
RLM Trier, EV 1994,179.
72
Marcus Zagermann
In der zweiten Zeile liest man QVARTIO. V und A sind ligiert und
wiederum erkennt man das Q an seiner Cauda, die bis unter die VA-Ligatur reicht. Dieser Umstand verdeutlicht die Zugehörigkeit zur Buchstabenfolge VARTIO. Ein Abstand zwischen Q und VARTIO, der ein neues Wort andeuten würde, ist auszuschließen. Dass das O den letzten
Buchstaben dieses Namens bildet, ist sehr wahrscheinlich. Zwar existiert ein Familienname Quartionius (Solin/Salomies 1994, 152), doch
scheint aufgrund der Geläufigkeit eine Deutung als Beiname Quartio
hier wesentlich gefälliger.
In der dritten Zeile ist TREC sicher zu lesen, der letzte Buchstabe
ist als T aber klar zu ergänzen. Am wahrscheinlichsten erscheint eine
Auflösung zum Cognomen Atrectus.
Der Buchstabenrest in der vierten Zeile kann nicht mehr eindeutig
gelesen werden; am ehesten handelt es sich um ein M.
Die Personen auf den Inschriften
Für Quintus Cornelius ist mit der Verwendung des Gentiliz wohl ein
aus tria nomina bestehender Name belegt. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfen wir von seiner römischen Bürgerschaft ausgehen. Über die
Frage, ob tria nomina immer einen römischen Bürger anzeigen, und
über die eventuelle Unterscheidung zwischen Bürgerrecht und Latinität wurde verschiedentlich diskutiert (Alföldy 1966, 37-39. – Hainzmann 1987, 37-39. – Weber 2012, 195).
Das Gentiliz Cornelius und verwandte Bildungen sind sehr häufig
(OPEL II 76-78). Aus Trier kennen wir die Grabinschrift eines Flavius
Cornelius Rufinus, der aber gebürtig aus Syrien stammte (CIL XIII
3684 = EDCS-10600452). Interessant ist Quintus Cornelius Superstis,
ein Salzhändler, der auf dem Colijnsplaat den Nehalenniae weihte.
Man vermutete seine Herkunft aus Köln (Tsigarida 2014, 73). Bei der
Häufigkeit des Familiennamens (Salomies 1987, 311 f.) dürfen aus dieser Namensgleichheit aber keine weitergehenden Schlüsse gezogen
werden, zumal eine Recherche leicht weitere Belege der Kombination
Quintus Cornelius ergibt. In der Zusammenstellung für die Gallia Belgica begegnet der Familienname fünfmal (Kakoschke 2010, 74). Sehr
auffällig war eine deutliche Konzentration der Kombination Quintus
Cornelius in Südgallien (Mócsy 1984, 51 Abb. 10). Heute stellt sich die
Materialbasis anders dar. Befragt nach Quintus Cornelius liefert die
EDCS über 130 Belege (ohne deklinierte Varianten). Es zeichnen sich
deutliche Schwerpunkte im Raum Rom/Ostia (Freigelassene), Nordafrika (Soldaten), Spanien und Südgallien ab. Aus Rom fallen vier Mantelhändler (sagarii) mit diesem Namen auf, die alle Freigelassene waren
(EDCS-19400099-19400102).
Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum
Als Cognomen ist Quartio nicht selten (OPEL IV 16), die EDCS wartete bei der Suche (Suchbegriff: Quartio) mit 203 Treffern auf. Neben
zahlreichen Vorkommen in Italien begegnen auch einige Nachweise
in der Gallia Narbonensis und der Germania Superior, der Trierer Quartio
ist jedoch der erste seiner Art in der Belgica (kein Nachweis bei Kakoschke 2010). Es handelt sich um ein römisches Cognomen, das wie entsprechende Vornamen auf den Geburtsmonat anspielt (grundlegend
Salomies 1987, 113 f.; Kajanto 1965, 73-75; 293). Die Verwendung eines
römischen Cognomens ist für Quartio also sicher (vgl. Kajanto 1965,
293), weswegen die Verwendung von tria nomina wahrscheinlich erscheint. Letzte Sicherheit wäre durch einen Familiennamen zu erreichen.
Atrectus wird mehrheitlich als Beiname geführt. Es ist aber ein
Name einheimischen Ursprungs, gebildet aus Atrixtos (Holder 1896,
273. – Delamarre 2007, 31). Bekannt ist ein gleichnamiger Hersteller von Aucissafibeln (Holder 1896, 273. – Pfahl 2012 Nr. 73. – EDCS44100185). Der latinisierte Name taucht einmal auch in typisch peregriner Form als Name mit Filiation auf: Atrectus, Sohn des Gatus
(CIL XIII 8342 = EDCS-01200181). Nicht völlig auszuschließen ist daher diese Variante auf unserer Inschrift. Mehr Wahrscheinlichkeit ist
aber einer Verwendung als Beiname zuzusprechen. Atrectus zeigt eine
auffällige Verbreitung in der Belgica (vier Nachweise: Kakoschke 2010,
222; OPEL I 204), wobei uns ein solcher auf einer weiteren Trierer Inschrift begegnet (CIL XIII 3707 = EDCS-10600476). Ebenfalls ein Trierer
Bürger war Caius Iuvalius Atr(ectus?), der als Händler in der Gegend
von Regensburg weihte (Krier 1981 Nr. 49). Im Jahr 2000 wurde in
Bodegraven (Niederlande) ein Fluchtäfelchen gefunden, auf dem sich
ebenfalls der Name Atrectus wiederfindet (Haalebos/Polak 2007, 116;
120). Allerdings wird ausgehend von Atrectus auch das Pseudogentiliz Atrectius gebildet (OPEL I 204. – Schulze 1991, 56. – Solin/Salomies 1994, 26), das ebenfalls in einer Trierer Inschrift auftaucht (AE
2001,1401 = EDCS-10900236).
Grundsätzlich konnten auf ein und derselben Inschrift Personen
mit tria nomina und andere mit duo nomina auftreten, vor allem in der
Zeit ab dem 3. Jahrhundert, als mehr und mehr auf die Vornamennennung verzichtet wird. Das zeigt das Beispiel einer Dendrophoreninschrift des Jahres 251 aus Cuma (CIL X 3699 = EDCS-17500257). Daher
müssen nicht zwingend für alle genannten Trierer auf Fragment B tria
nomina angenommen werden.
73
74
Marcus Zagermann
Datierung der Inschriften
Die Datierung der beiden Fragmente fällt schwer. Es fehlen echte datierende Angaben wie eine Kaisertitulatur oder gar eine Konsuldatierung. Ebenso finden sich keine chronologisch empfindlichen Formeln,
die eine zeitliche Eingrenzung erlaubten. So können lediglich die Namen und die problematische zeitliche Einordnung der Buchstabenformen (Bodel 2001, 49-51) Hinweise liefern. Quintus Cornelius führt
sein Praenomen an. Das ist bereits ein wichtiger Hinweis, dass die Inschrift wohl vor das fortgeschrittene 3. Jahrhundert zu datieren ist, als
die Nennung des Vornamens auf Inschriften verschwindet (Salomies
1987, 404). Einschränkend kommt hier lediglich der sehr offizielle
Charakter der Inschrift hinzu. Es existieren einige Werke, die helfen,
anhand diverser absolut datierter Inschriften zu einer chronologischen Einordnung zu kommen. Dabei ist für die vorliegenden Stücke
zu beachten, dass es sich bei den gewählten Vergleichen am besten
einerseits um Beispiele aus den Nordwestprovinzen, andererseits um
solche mit Bronze als Schriftträger handeln sollte, und zwar aufgrund
der Eigenheiten des Materials, die sich auf die Buchstaben und deren
Ausführung auswirken könnte. Um zu einem einigermaßen zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen, muss beides etwas großzügig ausgelegt werden.
Die Buchstaben von Fragment B finden formal und in den weit
ausgreifenden Caudae eine interessante Parallele in einer bronzenen
tabula ansata aus Pompeji (Hübner 1885, 315 Nr. 892). Man muss beachten, dass die Buchstaben jeweils sehr sauber und offenbar mit Hilfsmitteln (Linealen) angefertigt wurden. Das schränkt die Möglichkeiten
noch einmal etwas ein. Auf einer Bronzetafel aus Rom aus der Zeit
Domitians lassen sich so unterschiedliche Stile auf ein und derselben
Inschrift erkennen: Während die drei oberen Zeilen mit Kaisertitulatur und Datierung sehr gerade Hasten aufweisen, weicht dies in den
folgenden Zeilen deutlich auf (Hübner 1885, 305 Nr. 872). Ein weiteres
Beispiel stammt aus Lyon (1. Jahrhundert: Hübner 1885, 279 Nr. 799).
Bereits aus der Mitte des 2. Jahrhunderts stammt eine Steininschrift
aus Vienne (Hübner 1885, 134 Nr. 388), ebenfalls mit weit ausladenden Caudae und sehr ähnlich ausgeführten Buchstaben. Die Ligaturen
könnten auch als chronologische Hinweise dienen. Jedoch sind solche
Ligaturen bereits im 1. Jahrhundert üblich, wie eine Inschrift aus Rinderen zeigt, auf der deutlich eine A-V-Ligatur erkennbar ist (Hübner
1885, 66 Nr. 198) und die zwischen 54 und 68 zu datieren ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für Fragment B am wahrscheinlichsten eine Datierung in das 1./2. Jahrhundert, eventuell bis ins frühe 3.
Jahrhundert vorgeschlagen werden kann, während Fragment A aufgrund der Fragmentierung ohne Zuweisung bleibt.
Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum
Technische Details
Parallel zur Zeilenführung auf der Vorderseite begegnet auf der Rückseite von Fragment B ein Querstrich. Seine Machart und das Ende in
Serifen machen ihn vergleichbar mit den Buchstaben auf der Vorderseite. Es handelt sich also nicht um eine nachträgliche Ritzung,
sondern sie entstand wohl im Zusammenhang mit der Beschriftung
der Bronzeplatte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die gröber belassene
Rückseite mehrheitlich unbeschrieben blieb und nicht sichtbar war. Es
könnte sich daher um eine technische Ritzung handeln, etwa um das
Material zu testen, die Inschriftenmitte zu markieren, oder als Positionierungsmarkierung. Andere technische Details sind mehrfach auf
Inschriften nachgewiesen, beispielsweise Signaturen von Graveuren,
Beschriftung einzelner Teile mehrerer zusammengehöriger Inschriften und Hilfslinien (zum Beispiel Borhy/Bartus/Számadó 2015, 30 Abb.
4; 36 Abb. 8; 41 f.).
Zweimal sind Ligaturen auf Fragment B vorhanden. Es handelt
sich jeweils um letterae contiguae, und zwar in Form der Verbindung
der Buchstaben N und E (Cornelius) sowie V und A (Quartio). Über
die Funktion solcher Buchstabenverbindungen herrscht relative Einigkeit. Man verbindet sie in der Regel mit Platzmangel auf Inschriften
(Schmidt 2015).
Exkurs: Bronze als Inschriftenträger im Imperium Romanum
Die Römer verwendeten viele Inschriftenträger, am häufigsten überliefert sind solche aus Stein. Dabei stammten die Inschriften setzenden Personen aus allen Bereichen der römischen Gesellschaft. Neben
Steininschriften sind vor allem solche auf Bronzetafeln interessant
(Holzinschriften: Eck 2014, 128). Zwar kann Bronze als anorganisches
Material die Zeit überdauern (Eck 2014, 129), doch ist die Beschaffenheit des Materials gleichzeitig seine größte Schwachstelle: Allzu leicht
kann Bronze nämlich recycelt werden. Dies ist auch der Grund, warum
uns so wenige Dokumente aus Bronze überliefert sind, da sie entweder
schon während oder nach der Römerzeit zur Metallgewinnung eingeschmolzen wurden. Anders war das bei Steininschriften, denn diese
wurden teils als große Spolien verbaut und können deswegen heute oftmals rekonstruiert werden. Die höchste Form der öffentlichen
Ehrung beziehungsweise die Form, die nur den Kaisern vorbehalten
war, waren die bronzenen (Reiter-)Statuen, weswegen die Vermutung
naheliegt, dass bronzene Inschriften im Vergleich zu Steininschriften
bedeutender waren.
Den Römern war ihr Vermächtnis, die memoria, enorm wichtig. Deswegen versuchten sie durch große gesellschaftliche, politische oder
militärische Taten den eigenen Namen und den ihrer gens im Gedächtnis des Volkes zu halten. An Personen wie Scipio Africanus, den Sieger
über Hannibal und Bezwinger Karthagos erinnerte man sich noch Jahrhunderte nach seinem Tod, oder auch an die Reden des Cicero. Eine
solch denkwürdige Tat zu vollbringen, wurde aber im Laufe der späten
Republik und vor allem in der Kaiserzeit für einen Bürger relativ un-
75
76
Marcus Zagermann
erreichbar, da diese Taten dem Kaiser selbst und von ihm auserwählte
Personen vorbehalten waren. Aber auch der Kaiser musste sich um
seine memoria bemühen, und damit auch seine (Wohl-)Taten überdauerten, ließ er ebenfalls bronzene Inschriften setzen. So wurden zum
Beispiel die Akten der Säkularspiele des Augustus auf einer bronzenen
und einer marmornen Säule angebracht (Eck 2009, 90; 2014, 129 f.).
Das wohl bedeutendste Dokument auf Bronze stellt aber wohl die Inschrift der Res Gestae Divi Augusti dar, welche in Rom auf zwei Pfeilern
aus Bronze angebracht war. Auch Privatpersonen konnten bronzene
Inschriften setzen, wie das Beispiel des Sex. Fadius Secundus aus der
Stadt Musa in der Narbonensis zeigt (CIL XII 4393. – Eck 2014, 130).
Die am häufigsten erhaltenen Bronzeinschriften sind die Militärdiplome (EDCS: 1008 diplomata militaria. – Lambert/Scheuerbrandt 2002).
Dabei handelt es sich um beglaubigte Abschriften kaiserlicher Konstitutionen, deren Originale als große Bronzetafeln in Rom sichtbar
angebracht waren. Die Abschriften konnten sich die durch die Konstitutionen privilegierten Soldaten auf Wunsch anfertigen lassen.
Eine weitere Gruppe von bronzenen Inschriften sind jene, die Bitten oder Weihungen an die Götter beinhalten (Eck 2014, 134). Kleine
Täfelchen aus Bronze wurden oft in der Form von tabulae ansatae angefertigt und enthalten regelhaft nur kurze Texte, wie beispielsweise den Stifternamen oder eine Devotionsformel (vgl. die Beispiele bei
Pfahl 2012 Nr. 186-197). Sie wurden in den Tempeln der angerufenen
Gottheit deponiert, wahrscheinlich angebracht an eine heute vergangene Votivgabe. Daneben existieren Nachweise für größere Bronzetafeln mit Weihungen (Pfahl 2012 Nr. 199).
Wichtige Gesetztestexte und Senatsbeschlüsse wurden ebenfalls in
Bronze gefasst (Eck 2014, 135 f.). Eine der für die Altertumsforschung
wichtigsten Stadtrechtsurkunden, die Lex Irnitana, ist dafür wohl das
prominenteste Beispiel (Eck 2014, 131). Diese Form der Veröffentlichung wichtiger Staatstexte wurde in der gesamten Zeit des römischen Reiches genutzt. Ein weiteres Beispiel für einen staatlichen Text
in Bronze ist das senatus consultum de Bacchanalibus aus dem Jahr 186 v.
Chr. Dabei handelt es sich um einen Text, in welchem Bacchanalien
aufgrund eines vorangegangenen Skandals in ganz Rom verboten werden (Galsterer 2001).
Auch Inschriften von Kollegien fallen regelhaft unter die Bronzeinschriften. Unter einem collegium verstand man in Rom im weitesten
Sinne eine nichtstaatliche Vereinigung, welche aber öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen konnte, oder auch einen Verein, in dem
sich die Mitglieder zu bestimmten Zwecken zusammenschlossen
(Ausbüttel 1982. – Herz 2003). Es gab Vereine, die nur zum Zweck der
Sorge um die Bestattung ihrer Mitglieder gegründet wurden, religiöse
Gruppierungen und Berufsgenossenschaften. Viele dieser collegia sind
Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum
uns über ihre inschriftlichen Hinterlassenschaften überliefert (vgl. Eck
2014, 136). Dabei handelt es sich häufig um Listen, auf denen die Namen der Mitglieder verzeichnet sind. Ein solches Dokument ist zum
Beispiel das album der cultores Mithrae aus Virunum, welches sogar noch
Platz für Ergänzungen aufwies (Piccottini 1994).
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass bronzene Inschriften ein fester
und wohl nicht geringer Bestandteil des antiken Alltagslebens waren.
Wie dargestellt wurde, kamen sie in vielen Bereichen der Verwaltung,
aber auch des privaten beziehungsweise nicht-öffentlichen Lebens
zum Einsatz. Sehr wahrscheinlich ist, dass sie aufgrund ihres Materials als besonders wichtig angesehen wurden. Denn sie sollten etwas
für die Ewigkeit festhalten und ihre Erschaffer überdauern. Deswegen
sind die wichtigsten Gesetze und Bekanntmachungen des römischen
Staates auf Bronze abgefasst, was ihnen auch durch den Inschriftenträger einen hohen Stellenwert einräumte. Nicht umsonst spricht also
Horaz (Carminae 3,30) von einem Denkmal, dauerhafter als Erz (aere
perennius), denn dieses Bild war seinen Zeitgenossen absolut gegenwärtig und klar.
René Naumann
Zu welchem Inschriftentyp gehörten die Trierer Fragmente?
Die Bemerkungen über die Bronzeinschriften vor Augen ist Fragment
B recht eindeutig als Teil einer Namensliste zu verstehen. Solche Listen begegnen auf Inschriften unterschiedlicher Art, es zeichnet sich
aber ein Schwerpunkt in solchen ab, die mit Vereinen (collegia) im Zusammenhang stehen. Möglicherweise ist die Buchstabenfolge ALBV
aus Fragment A sogar zu album aufzulösen, wie solche Namenslisten
bezeichnet wurden (album sacratorum: CIL XIV 286 = EDCS-05700285.
– album veteranorum: CIL VIII 2626 = EDCS-20600077). Die einstigen Vereine, gleich welcher Art sie waren, bleiben aber unbekannt.
Die beiden Objekte wurden im Sommersemester 2017 im Rahmen eines Proseminars an der Universität Bamberg, Professur für Archäologie der Römischen Provinzen bearbeitet. Die Lesung, ihre Umsetzung in das Leidener Klammersystem, die Auflösung und schließlich die Ergänzung der Inschriften
wurden von den Teilnehmern des Seminars gemeinsam vorgenommen und von Marcus Zagermann
in die hier publizierte Form gebracht.
Für die Möglichkeit, die Stücke zur Bearbeitung auszuleihen, sei Dr. Lars Blöck, RLM Trier, sehr herzlich gedankt; ihm sind wir für die Anregung zu diesem Beitrag verbunden. Frau Prof. Dr. Michaela
Konrad sei für die Möglichkeit, das Seminar und die Vorbereitung des Aufsatzes im Rahmen der
Lehrveranstaltung von Marcus Zagermann durchzuführen, ebenfalls sehr gedankt. – Seminarteilnehmer waren Christoph Altmann, Jasmin Döpke, Simon Dupper, Jana Greulich, Barbara Holzapfel,
Katja Kämpfer, Michael-Sebastian Keck, Peter Kirschner, Michael Lebsak, Leah Löslein, Iris Madlener,
Corinna Meyer, René Naumann, Kilian Pongratz, Robin Radl, Freya Riedel, Jonas Ritter, Antonio
Sasso, Oliver Tepes, Salomé Troestler, Patrick von Bank, Elias Welk.
77
78
Marcus Zagermann
Literatur
G. Alföldy, Notes sur la relation entre le droit de cité et la nomenclature dans l’Empire
Romain. Latomus 25, 1966, 37-57. – F. M. Ausbüttel, Untersuchungen zu den Vereinen
im Westen des Römischen Reiches. Frankfurter althistorische Studien 11 (Kallmünz
1982). – J. Bodel, Epigraphy and the ancient historian. In: Epigraphic evidence. Ancient
history from inscriptions. Hrsg. von J. Bodel (London 2001) 1-56. – L. Borhy/D. Bartus/E.
Számadó, Die bronzene Gesetzestafel des Philippus Arabs aus Brigetio. In: Studia archaeologica Nicolae Szabó LXXV annos nato dedicate. Hrsg. von L. Borhy (Budapest 2015)
27-45. – X. Delamarre, Noms de personnes celtiques dans l’épigraphie classique (Paris
2007). – W. Eck, Öffentlichkeit, Politik und Administration. Epigraphische Dokumente
von Kaisern, Senat und Amtsträgern in Rom. In: Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der Römischen
Welt. Hrsg. von R. Haensch. Vestigia 61 (München 2009) 75-96. – W. Eck, Documents
on bronze. A phenomenon of the Roman west? In: Ancient documents and their contexts. First North American Congress of Greek and Latin Epigraphy 2011. Hrsg. von J.
P. Bodel/N. M. Dimitrova. Brill studies in Greek and Roman epigraphy 5 (Boston 2014)
127-151. – H. Galsterer, Senatus Consultum de Bac(ch)analibus. In: Der Neue Pauly 11
(Stuttgart 2001) 406-407. – J. K. Haalebos/R. Polak, Een lijst met Romeinsen amen uit Bodegraven. Vloektafeltje informeert over herkomst soldaten. Westerheem 56, 2007, 114122. – M. Hainzmann, Die sogenannten Neubürger der ersten Generation in Noricum.
Zum Namenstypus Ti. Iulius Adgelei f. Buccio. Tyche 2, 1987, 29-39. – P. Herz, Vereine.
In: Der Neue Pauly 12,2 (Stuttgart 2003) 28-32. – A. Holder, Alt-celtischer Sprachschatz
I (Leipzig 1896). – E. Hübner, Exempla scripturae epigraphicae Latinae. A Caesaris dictatoris morte ad aetatem Iustiniani (Berlin 1885). – I. Kajanto, The Latin cognomina.
Commentationes humanarum litterarum 36,2 (Helsinki 1965). – A. Kakoschke, Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica. Alpha-Omega A 255 (Hildesheim
2010). – J. Krier, Die Treverer außerhalb ihrer Civitas. Mobilität und Aufstieg. Trierer
Zeitschrift, Beiheft 5 (Trier 1981). – N. Lambert/J. Scheuerbrandt, Das Militärdiplom.
Quelle zur römischen Armee und zum Urkundenwesen. Schriften des Limesmuseums
Aalen 55 (Stuttgart 2002). – A. Mócsy, Bemerkungen zu den negotiatores von Colijnsplat. Münstersche Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 3, 1984 H. 2, 43-58. – St. F.
Pfahl, Instrumenta Latina et Graeca inscripta des Limesgebietes von 200 v. Chr. bis 600
n. Chr. (Weinstadt 2012). – G. Piccottini, Mithrastempel in Virunum. Aus Forschung und
Kunst 28 (Klagenfurt 1994). – O. Salomies, Die römischen Vornamen. Studien zur römischen Namengebung. Commentationes humanarum litterarum 82 (Helsinki 1987). – M.
G. Schmidt, Lateinische Epigraphik. Eine Einführung 3(Darmstadt 2015). – W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer Eigennamen (1904). Mit einer Berichtigungsliste zur
Neuausgabe von O. Salomies (Darmstadt 1991). – H. Solin/O. Salomies, Repertorium
nominum gentilium et cognominum Latinorum. Alpha-Omega A 80 (Hildesheim 1994).
– I. Tsigarida, Nordatlantische Salzmarschen im Interesse römischer Politik. In: Infrastruktur und Herrschaftsorganisation im Imperium Romanum. Herrschaftsstrukturen
und Herrschaftspraxis III. Akten der Tagung in Zürich 19.-20.10.2012. Hrsg. von A. Kolb
(Berlin 2014) 66-79. – E. Weber, Das römische Bürgerrecht des Apostels Paulus. Tyche
27, 2012, 193-207.
Abkürzungen
CIL
Corpus inscriptionum Latinarum I ff. (Berlin 1863 ff.).
EDCS Epigraphik-Datenbank Clauss-Slaby. http://www.manfredclauss.de [23.02.2018].
OPEL Onomasticon provinciarum Europae Latinarum I-IV (Budapest/Wien 1994-2002).
Abbildungsnachweis
Abb. 1-2 Th. Zühmer, RLM Trier.
3
49 · 2017
FUNDE UND AUSGRABUNGEN
IM BEZIRK TRIER
Aus der Arbeit
des Rheinischen Landesmuseums Trier
R H E I N I SCH E S
LAN DE S M US E U M
TR I E R
4
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der
Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
Rheinisches Landesmuseum Trier
Weimarer Allee 1 · D-54290 Trier
Telefon 0651/9774-0 · Fax -222
landesmuseum-trier@gdke.rlp.de
www.landesmuseum-trier.de
www.gdke.rlp.de
ISSN 0723-8630
Alle Rechte vorbehalten
© Rheinisches Landesmuseum Trier 2017
Redaktion
Jürgen Merten (Schriftleitung)
Kristina Schulz (Lektorat und Textbearbeitung)
Franz-Josef Dewald (Satz und Layout)
Offsetdruck
Druckzone GmbH & Co. KG, Cottbus
Inhalt
Hartwig Löhr
Trier-Euren, Ausgrabung „Moselschleuse“. 7-26
Besiedlung der Spätbronzezeit und der jüngeren Eisenzeit
und römisches Gräberfeld
Doris Mischka / Carsten Mischka / Anna-Sophie Buchhorn / Peter Henrich
Vom keltischen Oppidum zum römischen Vicus: 27-37
Geomagnetische Untersuchungen in Kastel-Staadt,
Kreis Trier-Saarburg
Florian Tanz
Eine römische Latrine in den Trierer Barbarathermen 38-42
Karl-Uwe Mahler
Römerzeitliche Grabdenkmäler im Trevererraum. 43-55
Internationaler Workshop im Rheinischen Landesmuseum Trier 2017.
Mit Beiträgen von Andrea Binsfeld, Korana Deppmeyer,
Sabine Faust, Anja Klöckner, Gabrielle Kremer, Hartmut Müller,
Tobias Reich, Marcus Reuter, Christine Ruppert, Markus Scholz,
Michaela Stark, Marianne Tabaczek
Yvonne Schmuhl
Die Berufe der Metzger, Schlachter und Fleischhändler 56-69
in Gallien und Germanien
Marcus Zagermann
Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum. 70-78
Zwei bronzene Inschriftenfragmente aus der Mosel in Trier.
Mit einem Exkurs von René Naumann
Dan Deac / Markus Zimmermann
Ein goldener Armreif mit einer magischen griechischen Inschrift 79-83
aus dem Trevererland
Maria Carmen D’Onza / Georg Breitner
Die Neupräsentation des Grabungsareals unter der Basilika in Trier 84-94
Ferdinand Heimerl / Georg Breitner
Vergangenes sichtbar machen: 95-103
Das neue Stadtmodell von Bitburg, Eifelkreis Bitburg-Prüm
5
6
Jürgen Merten
104-123 Die Forschungsgeschichte der Porta Nigra in Trier
Michael Dodt
124-139 200 Jahre Ausgrabungen an den Trierer Kaiserthermen.
Die Forschungen von Carl Friedrich Quednow und ihre Bedeutung
Lothar Schwinden
140-142 In memoriam Dr. Karl-Josef Gilles (1950-2018)
143-144 Autoren