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70 Marcus Zagermann Marcus NeueZagermann Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum Zwei bronzene Inschriftenfragmente aus der Mosel in Trier Mit einem Exkurs: Bronze als Inschriftenträger im Imperium Romanum von René Naumann Die im Jahr 1994 im Bereich der Trierer Mosel durchgeführten Baggerarbeiten erbrachten den Fund zweier Bronzefragmente, die jeweils mit Inschriften versehen sind. Fragment A [ Abb. 1 ] Das aus Bronzeblech in einer Stärke von 0,21 cm bestehende Fragment ist noch 11,1 cm hoch und 9,9 cm breit. Die Materialstärke und das Gewicht von 123 g lassen das Objekt sehr massiv erscheinen. Die Oberfläche ist schlecht erhalten und weist zahlreiche kleine Vertiefungen auf, die fast wie Hammerschläge wirken und die Buchstaben der Inschrift leicht unscharf verschwommen erscheinen lassen. Es ist keine Originalkante erhalten. Die unregelmäßig verlaufenden Bruchkanten zeigen sich verrundet. Lediglich links außen, im Bereich des Buchstabens A, ist der Bruch scharfkantiger. Hier befindet sich auch ein ca. 2 cm langer Riss, der mit der rechten Haste des Buchstabens A verläuft. Zudem ist der Bereich hier verbogen. In der zweiten Zeile misst man eine Buchstabenhöhe von 2,9 cm, dann folgen 1,91 cm Zeilenabstand. Die Rückseite ist ohne Inschrift und entspricht in ihrer Erhaltung der Vorderseite. 1 Trier, Mosel. Inschriftenfragment A. a Vorderseite. b Rückseite. M. 1:2. RLM Trier, EV 1994,173b. a b 71 Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum Das Formular von Fragment A: Lesung und Auflösung [---] [---] + + [---] [---] [- - - ]ALBV+ [- - - ]ALBV+ [---] MV [---] [---] MV [---] Die Buchstabenreste in den Zeilen 1 und 3 können nicht weiter ergänzt werden. Mit dem in Zeile 2 genannten „Albu-“ beginnen einige Familien- und Beinamen (OPEL I 70 f.). Bemerkenswert ist die Buchstabenhöhe von fast 3 cm. Fragment B [ Abb. 2 ] Das Fragment besteht aus Bronzeblech in einer Stärke von 0,16 cm und ist noch 9,2 cm hoch sowie 6,9 cm breit. Das Gewicht liegt bei 57,3 g. Die Bruchkanten sind nicht verrundet und verlaufen oben und an den Seiten geradlinig, im unteren Bereich leicht einziehend. Der untere erhaltene Rand erscheint ausgefranst und weist keine gerade Bruchkante auf. Das Fragment ist leicht deformiert. Vom letzten Buchstaben der dritten Zeile reicht ein Riss bis zum R der zweiten Zeile, der sich in den Buchstaben hinein fortsetzt. Die Oberfläche ist gut geglättet und hat eine rauere Patina. Die erkennbaren Buchstaben sind in hervorragender Qualität ausgeführt und erscheinen scharf und gut lesbar. Die messbare Buchstabenhöhe beträgt in der zweiten Zeile 1,63 cm, in der dritten 1,6 cm. Nach der ersten Zeile folgt ein Abstand von 1,5 cm zur zweiten, die wiederum 1,44 cm von der dritten abgesetzt ist. Die Buchstaben in den vier erhaltenen Zeilen der Inschrift B sind eindeutig als Teile dreier Personennamen zu identifizieren, lediglich die letzte Zeile muss aufgrund der starken Fragmentierung ohne Deutung bleiben. Auf der Rückseite fällt eine Besonderheit auf: Parallel zur Zeilenführung auf der Vorderseite wurde hier ein Querstrich eingebracht. Dieser ist vergleichbar ausgeführt wie die Buchstaben vorne und endet in Serifen. a Das Formular von Fragment B: Lesung und Auflösung Q CORNEL Q CORNEL ---QVARTIO--- - - QVARTIO- - ---TRECT--- - - TRECT-- + + Q(uintus) Cornel(ius) [cognomen?], [praenomen?] [cognomen?] Quartio, (A?)trect(us?), [weiterer Name?] Die erste Zeile enthält nur das unterste Viertel bis maximal die untere Hälfte von sieben Buchstaben. Durch die weit nach rechts gezogene Cauda gibt sich als Erstes ein Q zu erkennen. Dem folgt die sicher zu erschließende Folge CORNEL, wobei das N und E ligiert ausgeführt sind. Vom L hat sich zwar nur der Rest einer senkrechten Haste erhalten, doch ergibt sich die Ansprache aus dem Zusammenhang. Dadurch sind der Vorname Quintus (Salomies 1987, 46 Nr. 24) und der Familienname Cornelius aufzulösen, ein Beiname ist nicht erhalten, wohl aber anzunehmen. b 2 Trier, Mosel. Inschriftenfragment B. a Vorderseite. b Rückseite. RLM Trier, EV 1994,179. 72 Marcus Zagermann In der zweiten Zeile liest man QVARTIO. V und A sind ligiert und wiederum erkennt man das Q an seiner Cauda, die bis unter die VA-Ligatur reicht. Dieser Umstand verdeutlicht die Zugehörigkeit zur Buchstabenfolge VARTIO. Ein Abstand zwischen Q und VARTIO, der ein neues Wort andeuten würde, ist auszuschließen. Dass das O den letzten Buchstaben dieses Namens bildet, ist sehr wahrscheinlich. Zwar existiert ein Familienname Quartionius (Solin/Salomies 1994, 152), doch scheint aufgrund der Geläufigkeit eine Deutung als Beiname Quartio hier wesentlich gefälliger. In der dritten Zeile ist TREC sicher zu lesen, der letzte Buchstabe ist als T aber klar zu ergänzen. Am wahrscheinlichsten erscheint eine Auflösung zum Cognomen Atrectus. Der Buchstabenrest in der vierten Zeile kann nicht mehr eindeutig gelesen werden; am ehesten handelt es sich um ein M. Die Personen auf den Inschriften Für Quintus Cornelius ist mit der Verwendung des Gentiliz wohl ein aus tria nomina bestehender Name belegt. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfen wir von seiner römischen Bürgerschaft ausgehen. Über die Frage, ob tria nomina immer einen römischen Bürger anzeigen, und über die eventuelle Unterscheidung zwischen Bürgerrecht und Latinität wurde verschiedentlich diskutiert (Alföldy 1966, 37-39. – Hainzmann 1987, 37-39. – Weber 2012, 195). Das Gentiliz Cornelius und verwandte Bildungen sind sehr häufig (OPEL II 76-78). Aus Trier kennen wir die Grabinschrift eines Flavius Cornelius Rufinus, der aber gebürtig aus Syrien stammte (CIL XIII 3684 = EDCS-10600452). Interessant ist Quintus Cornelius Superstis, ein Salzhändler, der auf dem Colijnsplaat den Nehalenniae weihte. Man vermutete seine Herkunft aus Köln (Tsigarida 2014, 73). Bei der Häufigkeit des Familiennamens (Salomies 1987, 311 f.) dürfen aus dieser Namensgleichheit aber keine weitergehenden Schlüsse gezogen werden, zumal eine Recherche leicht weitere Belege der Kombination Quintus Cornelius ergibt. In der Zusammenstellung für die Gallia Belgica begegnet der Familienname fünfmal (Kakoschke 2010, 74). Sehr auffällig war eine deutliche Konzentration der Kombination Quintus Cornelius in Südgallien (Mócsy 1984, 51 Abb. 10). Heute stellt sich die Materialbasis anders dar. Befragt nach Quintus Cornelius liefert die EDCS über 130 Belege (ohne deklinierte Varianten). Es zeichnen sich deutliche Schwerpunkte im Raum Rom/Ostia (Freigelassene), Nordafrika (Soldaten), Spanien und Südgallien ab. Aus Rom fallen vier Mantelhändler (sagarii) mit diesem Namen auf, die alle Freigelassene waren (EDCS-19400099-19400102). Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum Als Cognomen ist Quartio nicht selten (OPEL IV 16), die EDCS wartete bei der Suche (Suchbegriff: Quartio) mit 203 Treffern auf. Neben zahlreichen Vorkommen in Italien begegnen auch einige Nachweise in der Gallia Narbonensis und der Germania Superior, der Trierer Quartio ist jedoch der erste seiner Art in der Belgica (kein Nachweis bei Kakoschke 2010). Es handelt sich um ein römisches Cognomen, das wie entsprechende Vornamen auf den Geburtsmonat anspielt (grundlegend Salomies 1987, 113 f.; Kajanto 1965, 73-75; 293). Die Verwendung eines römischen Cognomens ist für Quartio also sicher (vgl. Kajanto 1965, 293), weswegen die Verwendung von tria nomina wahrscheinlich erscheint. Letzte Sicherheit wäre durch einen Familiennamen zu erreichen. Atrectus wird mehrheitlich als Beiname geführt. Es ist aber ein Name einheimischen Ursprungs, gebildet aus Atrixtos (Holder 1896, 273. – Delamarre 2007, 31). Bekannt ist ein gleichnamiger Hersteller von Aucissafibeln (Holder 1896, 273. – Pfahl 2012 Nr. 73. – EDCS44100185). Der latinisierte Name taucht einmal auch in typisch peregriner Form als Name mit Filiation auf: Atrectus, Sohn des Gatus (CIL XIII 8342 = EDCS-01200181). Nicht völlig auszuschließen ist daher diese Variante auf unserer Inschrift. Mehr Wahrscheinlichkeit ist aber einer Verwendung als Beiname zuzusprechen. Atrectus zeigt eine auffällige Verbreitung in der Belgica (vier Nachweise: Kakoschke 2010, 222; OPEL I 204), wobei uns ein solcher auf einer weiteren Trierer Inschrift begegnet (CIL XIII 3707 = EDCS-10600476). Ebenfalls ein Trierer Bürger war Caius Iuvalius Atr(ectus?), der als Händler in der Gegend von Regensburg weihte (Krier 1981 Nr. 49). Im Jahr 2000 wurde in Bodegraven (Niederlande) ein Fluchtäfelchen gefunden, auf dem sich ebenfalls der Name Atrectus wiederfindet (Haalebos/Polak 2007, 116; 120). Allerdings wird ausgehend von Atrectus auch das Pseudogentiliz Atrectius gebildet (OPEL I 204. – Schulze 1991, 56. – Solin/Salomies 1994, 26), das ebenfalls in einer Trierer Inschrift auftaucht (AE 2001,1401 = EDCS-10900236). Grundsätzlich konnten auf ein und derselben Inschrift Personen mit tria nomina und andere mit duo nomina auftreten, vor allem in der Zeit ab dem 3. Jahrhundert, als mehr und mehr auf die Vornamennennung verzichtet wird. Das zeigt das Beispiel einer Dendrophoreninschrift des Jahres 251 aus Cuma (CIL X 3699 = EDCS-17500257). Daher müssen nicht zwingend für alle genannten Trierer auf Fragment B tria nomina angenommen werden. 73 74 Marcus Zagermann Datierung der Inschriften Die Datierung der beiden Fragmente fällt schwer. Es fehlen echte datierende Angaben wie eine Kaisertitulatur oder gar eine Konsuldatierung. Ebenso finden sich keine chronologisch empfindlichen Formeln, die eine zeitliche Eingrenzung erlaubten. So können lediglich die Namen und die problematische zeitliche Einordnung der Buchstabenformen (Bodel 2001, 49-51) Hinweise liefern. Quintus Cornelius führt sein Praenomen an. Das ist bereits ein wichtiger Hinweis, dass die Inschrift wohl vor das fortgeschrittene 3. Jahrhundert zu datieren ist, als die Nennung des Vornamens auf Inschriften verschwindet (Salomies 1987, 404). Einschränkend kommt hier lediglich der sehr offizielle Charakter der Inschrift hinzu. Es existieren einige Werke, die helfen, anhand diverser absolut datierter Inschriften zu einer chronologischen Einordnung zu kommen. Dabei ist für die vorliegenden Stücke zu beachten, dass es sich bei den gewählten Vergleichen am besten einerseits um Beispiele aus den Nordwestprovinzen, andererseits um solche mit Bronze als Schriftträger handeln sollte, und zwar aufgrund der Eigenheiten des Materials, die sich auf die Buchstaben und deren Ausführung auswirken könnte. Um zu einem einigermaßen zufriedenstellenden Ergebnis zu gelangen, muss beides etwas großzügig ausgelegt werden. Die Buchstaben von Fragment B finden formal und in den weit ausgreifenden Caudae eine interessante Parallele in einer bronzenen tabula ansata aus Pompeji (Hübner 1885, 315 Nr. 892). Man muss beachten, dass die Buchstaben jeweils sehr sauber und offenbar mit Hilfsmitteln (Linealen) angefertigt wurden. Das schränkt die Möglichkeiten noch einmal etwas ein. Auf einer Bronzetafel aus Rom aus der Zeit Domitians lassen sich so unterschiedliche Stile auf ein und derselben Inschrift erkennen: Während die drei oberen Zeilen mit Kaisertitulatur und Datierung sehr gerade Hasten aufweisen, weicht dies in den folgenden Zeilen deutlich auf (Hübner 1885, 305 Nr. 872). Ein weiteres Beispiel stammt aus Lyon (1. Jahrhundert: Hübner 1885, 279 Nr. 799). Bereits aus der Mitte des 2. Jahrhunderts stammt eine Steininschrift aus Vienne (Hübner 1885, 134 Nr. 388), ebenfalls mit weit ausladenden Caudae und sehr ähnlich ausgeführten Buchstaben. Die Ligaturen könnten auch als chronologische Hinweise dienen. Jedoch sind solche Ligaturen bereits im 1. Jahrhundert üblich, wie eine Inschrift aus Rinderen zeigt, auf der deutlich eine A-V-Ligatur erkennbar ist (Hübner 1885, 66 Nr. 198) und die zwischen 54 und 68 zu datieren ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für Fragment B am wahrscheinlichsten eine Datierung in das 1./2. Jahrhundert, eventuell bis ins frühe 3. Jahrhundert vorgeschlagen werden kann, während Fragment A aufgrund der Fragmentierung ohne Zuweisung bleibt. Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum Technische Details Parallel zur Zeilenführung auf der Vorderseite begegnet auf der Rückseite von Fragment B ein Querstrich. Seine Machart und das Ende in Serifen machen ihn vergleichbar mit den Buchstaben auf der Vorderseite. Es handelt sich also nicht um eine nachträgliche Ritzung, sondern sie entstand wohl im Zusammenhang mit der Beschriftung der Bronzeplatte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die gröber belassene Rückseite mehrheitlich unbeschrieben blieb und nicht sichtbar war. Es könnte sich daher um eine technische Ritzung handeln, etwa um das Material zu testen, die Inschriftenmitte zu markieren, oder als Positionierungsmarkierung. Andere technische Details sind mehrfach auf Inschriften nachgewiesen, beispielsweise Signaturen von Graveuren, Beschriftung einzelner Teile mehrerer zusammengehöriger Inschriften und Hilfslinien (zum Beispiel Borhy/Bartus/Számadó 2015, 30 Abb. 4; 36 Abb. 8; 41 f.). Zweimal sind Ligaturen auf Fragment B vorhanden. Es handelt sich jeweils um letterae contiguae, und zwar in Form der Verbindung der Buchstaben N und E (Cornelius) sowie V und A (Quartio). Über die Funktion solcher Buchstabenverbindungen herrscht relative Einigkeit. Man verbindet sie in der Regel mit Platzmangel auf Inschriften (Schmidt 2015). Exkurs: Bronze als Inschriftenträger im Imperium Romanum Die Römer verwendeten viele Inschriftenträger, am häufigsten überliefert sind solche aus Stein. Dabei stammten die Inschriften setzenden Personen aus allen Bereichen der römischen Gesellschaft. Neben Steininschriften sind vor allem solche auf Bronzetafeln interessant (Holzinschriften: Eck 2014, 128). Zwar kann Bronze als anorganisches Material die Zeit überdauern (Eck 2014, 129), doch ist die Beschaffenheit des Materials gleichzeitig seine größte Schwachstelle: Allzu leicht kann Bronze nämlich recycelt werden. Dies ist auch der Grund, warum uns so wenige Dokumente aus Bronze überliefert sind, da sie entweder schon während oder nach der Römerzeit zur Metallgewinnung eingeschmolzen wurden. Anders war das bei Steininschriften, denn diese wurden teils als große Spolien verbaut und können deswegen heute oftmals rekonstruiert werden. Die höchste Form der öffentlichen Ehrung beziehungsweise die Form, die nur den Kaisern vorbehalten war, waren die bronzenen (Reiter-)Statuen, weswegen die Vermutung naheliegt, dass bronzene Inschriften im Vergleich zu Steininschriften bedeutender waren. Den Römern war ihr Vermächtnis, die memoria, enorm wichtig. Deswegen versuchten sie durch große gesellschaftliche, politische oder militärische Taten den eigenen Namen und den ihrer gens im Gedächtnis des Volkes zu halten. An Personen wie Scipio Africanus, den Sieger über Hannibal und Bezwinger Karthagos erinnerte man sich noch Jahrhunderte nach seinem Tod, oder auch an die Reden des Cicero. Eine solch denkwürdige Tat zu vollbringen, wurde aber im Laufe der späten Republik und vor allem in der Kaiserzeit für einen Bürger relativ un- 75 76 Marcus Zagermann erreichbar, da diese Taten dem Kaiser selbst und von ihm auserwählte Personen vorbehalten waren. Aber auch der Kaiser musste sich um seine memoria bemühen, und damit auch seine (Wohl-)Taten überdauerten, ließ er ebenfalls bronzene Inschriften setzen. So wurden zum Beispiel die Akten der Säkularspiele des Augustus auf einer bronzenen und einer marmornen Säule angebracht (Eck 2009, 90; 2014, 129 f.). Das wohl bedeutendste Dokument auf Bronze stellt aber wohl die Inschrift der Res Gestae Divi Augusti dar, welche in Rom auf zwei Pfeilern aus Bronze angebracht war. Auch Privatpersonen konnten bronzene Inschriften setzen, wie das Beispiel des Sex. Fadius Secundus aus der Stadt Musa in der Narbonensis zeigt (CIL XII 4393. – Eck 2014, 130). Die am häufigsten erhaltenen Bronzeinschriften sind die Militärdiplome (EDCS: 1008 diplomata militaria. – Lambert/Scheuerbrandt 2002). Dabei handelt es sich um beglaubigte Abschriften kaiserlicher Konstitutionen, deren Originale als große Bronzetafeln in Rom sichtbar angebracht waren. Die Abschriften konnten sich die durch die Konstitutionen privilegierten Soldaten auf Wunsch anfertigen lassen. Eine weitere Gruppe von bronzenen Inschriften sind jene, die Bitten oder Weihungen an die Götter beinhalten (Eck 2014, 134). Kleine Täfelchen aus Bronze wurden oft in der Form von tabulae ansatae angefertigt und enthalten regelhaft nur kurze Texte, wie beispielsweise den Stifternamen oder eine Devotionsformel (vgl. die Beispiele bei Pfahl 2012 Nr. 186-197). Sie wurden in den Tempeln der angerufenen Gottheit deponiert, wahrscheinlich angebracht an eine heute vergangene Votivgabe. Daneben existieren Nachweise für größere Bronzetafeln mit Weihungen (Pfahl 2012 Nr. 199). Wichtige Gesetztestexte und Senatsbeschlüsse wurden ebenfalls in Bronze gefasst (Eck 2014, 135 f.). Eine der für die Altertumsforschung wichtigsten Stadtrechtsurkunden, die Lex Irnitana, ist dafür wohl das prominenteste Beispiel (Eck 2014, 131). Diese Form der Veröffentlichung wichtiger Staatstexte wurde in der gesamten Zeit des römischen Reiches genutzt. Ein weiteres Beispiel für einen staatlichen Text in Bronze ist das senatus consultum de Bacchanalibus aus dem Jahr 186 v. Chr. Dabei handelt es sich um einen Text, in welchem Bacchanalien aufgrund eines vorangegangenen Skandals in ganz Rom verboten werden (Galsterer 2001). Auch Inschriften von Kollegien fallen regelhaft unter die Bronzeinschriften. Unter einem collegium verstand man in Rom im weitesten Sinne eine nichtstaatliche Vereinigung, welche aber öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen konnte, oder auch einen Verein, in dem sich die Mitglieder zu bestimmten Zwecken zusammenschlossen (Ausbüttel 1982. – Herz 2003). Es gab Vereine, die nur zum Zweck der Sorge um die Bestattung ihrer Mitglieder gegründet wurden, religiöse Gruppierungen und Berufsgenossenschaften. Viele dieser collegia sind Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum uns über ihre inschriftlichen Hinterlassenschaften überliefert (vgl. Eck 2014, 136). Dabei handelt es sich häufig um Listen, auf denen die Namen der Mitglieder verzeichnet sind. Ein solches Dokument ist zum Beispiel das album der cultores Mithrae aus Virunum, welches sogar noch Platz für Ergänzungen aufwies (Piccottini 1994). Als Fazit bleibt festzuhalten, dass bronzene Inschriften ein fester und wohl nicht geringer Bestandteil des antiken Alltagslebens waren. Wie dargestellt wurde, kamen sie in vielen Bereichen der Verwaltung, aber auch des privaten beziehungsweise nicht-öffentlichen Lebens zum Einsatz. Sehr wahrscheinlich ist, dass sie aufgrund ihres Materials als besonders wichtig angesehen wurden. Denn sie sollten etwas für die Ewigkeit festhalten und ihre Erschaffer überdauern. Deswegen sind die wichtigsten Gesetze und Bekanntmachungen des römischen Staates auf Bronze abgefasst, was ihnen auch durch den Inschriftenträger einen hohen Stellenwert einräumte. Nicht umsonst spricht also Horaz (Carminae 3,30) von einem Denkmal, dauerhafter als Erz (aere perennius), denn dieses Bild war seinen Zeitgenossen absolut gegenwärtig und klar. René Naumann Zu welchem Inschriftentyp gehörten die Trierer Fragmente? Die Bemerkungen über die Bronzeinschriften vor Augen ist Fragment B recht eindeutig als Teil einer Namensliste zu verstehen. Solche Listen begegnen auf Inschriften unterschiedlicher Art, es zeichnet sich aber ein Schwerpunkt in solchen ab, die mit Vereinen (collegia) im Zusammenhang stehen. Möglicherweise ist die Buchstabenfolge ALBV aus Fragment A sogar zu album aufzulösen, wie solche Namenslisten bezeichnet wurden (album sacratorum: CIL XIV 286 = EDCS-05700285. – album veteranorum: CIL VIII 2626 = EDCS-20600077). Die einstigen Vereine, gleich welcher Art sie waren, bleiben aber unbekannt. Die beiden Objekte wurden im Sommersemester 2017 im Rahmen eines Proseminars an der Universität Bamberg, Professur für Archäologie der Römischen Provinzen bearbeitet. Die Lesung, ihre Umsetzung in das Leidener Klammersystem, die Auflösung und schließlich die Ergänzung der Inschriften wurden von den Teilnehmern des Seminars gemeinsam vorgenommen und von Marcus Zagermann in die hier publizierte Form gebracht. Für die Möglichkeit, die Stücke zur Bearbeitung auszuleihen, sei Dr. Lars Blöck, RLM Trier, sehr herzlich gedankt; ihm sind wir für die Anregung zu diesem Beitrag verbunden. Frau Prof. Dr. Michaela Konrad sei für die Möglichkeit, das Seminar und die Vorbereitung des Aufsatzes im Rahmen der Lehrveranstaltung von Marcus Zagermann durchzuführen, ebenfalls sehr gedankt. – Seminarteilnehmer waren Christoph Altmann, Jasmin Döpke, Simon Dupper, Jana Greulich, Barbara Holzapfel, Katja Kämpfer, Michael-Sebastian Keck, Peter Kirschner, Michael Lebsak, Leah Löslein, Iris Madlener, Corinna Meyer, René Naumann, Kilian Pongratz, Robin Radl, Freya Riedel, Jonas Ritter, Antonio Sasso, Oliver Tepes, Salomé Troestler, Patrick von Bank, Elias Welk. 77 78 Marcus Zagermann Literatur G. Alföldy, Notes sur la relation entre le droit de cité et la nomenclature dans l’Empire Romain. Latomus 25, 1966, 37-57. – F. M. Ausbüttel, Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des Römischen Reiches. Frankfurter althistorische Studien 11 (Kallmünz 1982). – J. Bodel, Epigraphy and the ancient historian. In: Epigraphic evidence. Ancient history from inscriptions. Hrsg. von J. 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Zühmer, RLM Trier. 3 49 · 2017 FUNDE UND AUSGRABUNGEN IM BEZIRK TRIER Aus der Arbeit des Rheinischen Landesmuseums Trier R H E I N I SCH E S LAN DE S M US E U M TR I E R 4 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Rheinisches Landesmuseum Trier Weimarer Allee 1 · D-54290 Trier Telefon 0651/9774-0 · Fax -222 landesmuseum-trier@gdke.rlp.de www.landesmuseum-trier.de www.gdke.rlp.de ISSN 0723-8630 Alle Rechte vorbehalten © Rheinisches Landesmuseum Trier 2017 Redaktion Jürgen Merten (Schriftleitung) Kristina Schulz (Lektorat und Textbearbeitung) Franz-Josef Dewald (Satz und Layout) Offsetdruck Druckzone GmbH & Co. KG, Cottbus Inhalt Hartwig Löhr Trier-Euren, Ausgrabung „Moselschleuse“. 7-26 Besiedlung der Spätbronzezeit und der jüngeren Eisenzeit und römisches Gräberfeld Doris Mischka / Carsten Mischka / Anna-Sophie Buchhorn / Peter Henrich Vom keltischen Oppidum zum römischen Vicus: 27-37 Geomagnetische Untersuchungen in Kastel-Staadt, Kreis Trier-Saarburg Florian Tanz Eine römische Latrine in den Trierer Barbarathermen 38-42 Karl-Uwe Mahler Römerzeitliche Grabdenkmäler im Trevererraum. 43-55 Internationaler Workshop im Rheinischen Landesmuseum Trier 2017. Mit Beiträgen von Andrea Binsfeld, Korana Deppmeyer, Sabine Faust, Anja Klöckner, Gabrielle Kremer, Hartmut Müller, Tobias Reich, Marcus Reuter, Christine Ruppert, Markus Scholz, Michaela Stark, Marianne Tabaczek Yvonne Schmuhl Die Berufe der Metzger, Schlachter und Fleischhändler 56-69 in Gallien und Germanien Marcus Zagermann Neue Bürger aus der Colonia Augusta Treverorum. 70-78 Zwei bronzene Inschriftenfragmente aus der Mosel in Trier. Mit einem Exkurs von René Naumann Dan Deac / Markus Zimmermann Ein goldener Armreif mit einer magischen griechischen Inschrift 79-83 aus dem Trevererland Maria Carmen D’Onza / Georg Breitner Die Neupräsentation des Grabungsareals unter der Basilika in Trier 84-94 Ferdinand Heimerl / Georg Breitner Vergangenes sichtbar machen: 95-103 Das neue Stadtmodell von Bitburg, Eifelkreis Bitburg-Prüm 5 6 Jürgen Merten 104-123 Die Forschungsgeschichte der Porta Nigra in Trier Michael Dodt 124-139 200 Jahre Ausgrabungen an den Trierer Kaiserthermen. Die Forschungen von Carl Friedrich Quednow und ihre Bedeutung Lothar Schwinden 140-142 In memoriam Dr. Karl-Josef Gilles (1950-2018) 143-144 Autoren